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Die Rolle von Biodiesel im Kontext einer nachhaltigen Energieversorgung

Geschrieben von Dipl.-Ing. Karl-Heinz Pichler | Jan 23, 2022 2:33:02 PM

Die aktuelle Klimadiskussion, hohe Energiepreise und steigende CO2-Abgaben haben Biodiesel wieder verstärkt in das Blickfeld gerückt. In Anbetracht des Richtungswechsels der EU-Politik im Zuge des „Fit for 55-Pakets“ wird vor allem die Produktion von fortschrittlichem Biodiesel für die kommenden Jahre ein wichtiges Thema sein. In den vergangenen Jahren hat die Entwicklung neuer Verfahrenstechnologien in diesem Bereich erhebliche Fortschritte gemacht. Im Fokus stehen nicht nur Effizienzverbesserung, sondern auch die Verwertung von Abfall- und Reststoffen, die als Ergebnis einer kreislaufoptimierten Abfallwirtschaft anfallen.  

Biodiesel als wichtiger Beitrag zum Klimaschutz

 

Biodiesel emittiert zwischen 65 und 90 % weniger CO2 als fossiler Diesel und reduziert mit jedem Kilogramm Biodiesel die CO2-Emissionen um etwa 3 kg. Die Verwendung von Biodiesel leistet somit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz im Verkehrswesen.


Darüber hinaus trägt die Verwendung von Abfällen und Reststoffen zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft bei und verwandelt Abfall in eine wettbewerbsfähige und emissionsarme Form der Transportenergie.
Biodiesel nimmt den größten Anteil am Biokraftstoffverbrauch im Verkehr ein. Im Jahr 2020 betrug dieser Anteil 73,8 %.


Insgesamt wurden in der EU Biokraftstoffe in einem Umfang von 15,8 Mio. Tonnen Mtoe verbraucht, davon entfielen rund 13 Mtoe auf Biodiesel.
Der Straßenverkehr ist mit fast 98 % nach wie vor der wichtigste Verbrauchssektor im bereich erneuerbare Energien, noch vor dem Schienenverkehr und anderen Verkehrsträgern.

Dekarbonisierung erhöht Biodieselverbrauch

 

Mit der in ganz Europa forcierten Dekarbonisierung des Verkehrssektors steigt auch der Biodieselverbrauch. Unternehmen, die CO2-emittierende Kraftstoffe verkaufen, müssen die beim Verbrennen dieser Kraftstoffe entstehenden Treibhausgasemissionen kompensieren. Wer gegen die Quote verstößt, zahlt für jede zusätzlich ausgestoßene Tonne Treibhausgas hohe Strafen. 

Bis 2030 soll die THG-Quote für quotenverpflichtete Unternehmen, meist Mineralölkonzerne, schrittweise auf 25 % erhöht werden (derzeit 6 % in Österreich). Dementsprechend steigt der Bedarf an Biodiesel. Auch angesichts des unzureichenden Ausbaus der Produktionskapazitäten für erneuerbaren Strom wird Biodiesel in den nächsten Jahren eine führende Rolle beim Ersatz fossiler Kraftstoffe einnehmen, um die ambitionierten Ziele der Klimawende zu erreichen. 

 

 

Vergleich FAME-Biodiesel und HVO-Biodiesel



Biodiesel kann als Reinkraftstoff oder Blendkomponente in allen Verkehrsträgern (Straßen-, Luft-, See- und Binnenschifffahrt) eingesetzt werden. Der Straßenverkehr dominiert volumenmäßig, jedoch bieten sich für die anderen Anwendungen im Zuge des Fit for 55-Pakets der EU wachsende Möglichkeiten.


Sowohl FAME-Biodiesel (Fettsäuremethylester) als auch HVO-Biodiesel (hydriertes Pflanzenöl) sind als Beimischung zu fossilem Diesel zugelassen. Beide werden aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt, darunter Pflanzenöle, Altspeisefette (UCOs), tierische Fette und biogene Abfall- und Reststoffe.


1. FAME-Biodiesel

 

FAME wird durch Umesterung von Fetten oder Ölen mit Methanol hergestellt. Das Endprodukt ähnelt herkömmlichen Diesel, weist jedoch einen höheren Sauerstoffgehalt auf. FAME-Biodiesel wird zum einen als Reinkraftstoff an Tankstellen vermarktet, zum anderen aber auch fossilem Diesel beigemischt. Der zugesetzte Biodiesel muss der Beimengungsqualität nach EN 14214 entsprechen. Bei der Herstellung aus Abfall- und Reststoffen ist daher eine destillative Endreinigung erforderlich.


In Europa sind maximal 7% FAME in Dieselkraftstoff erlaubt (B7). Um den globalen CO2-Ausstoss zu reduzieren soll dieser Anteil nach aktuellen Plänen der EU künftig angehoben werden. Reiner FAME-Biodiesel (B100) darf nur für entsprechend ausgelegte Motoren verwendet werden.


2. HVO-Biodiesel


HVO entsteht durch Hydrierung pflanzlicher Öle und fetthaltiger Abfallstoffe, wobei Wasserstoff anstelle von Methanol verwendet wird. Im Vergleich zu FAME-Biodiesel handelt es sich bei HVO um einen Kohlenwasserstoff, der chemisch nahezu identisch mit mineralischem Diesel ist.
Da sich HVO-Biodiesel von fossilem Diesel nicht unterscheidet, kann er ohne Anpassung des Motors als Reinkraftstoff verwendet werden. Die Beimischung ist in einem beliebigen Mischverhältnis möglich, solange die Dieselkraftstoff-Norm DIN EN 590 erfüllt wird. In der Luftfahrt findet HVO bereits Einsatz als Beimischung.

 

Mangel an Biodieselanlagen lässt Preise explodieren


Hohe Rohstoffkosten und die Überschwemmung Europas mit Palmöl-Biodiesel zu Dumpingpreisen haben in den vergangenen Jahren zu einem erheblichen Preisdruck im europäischen Biodieselmarkt geführt. Als Folge dieser Entwicklung mussten zahlreiche Biodieselfabriken in Europa ihre Pforten schließen.


Preisanstiege auf dem Rohölmarkt und steigende CO2-Abgaben verschärfen die Marktsituation zusätzlich. Mineralölkonzerne, die ihren THG-Minderungspflichten nachkommen müssen, sind nun händeringend auf der Suche nach beimischungsfähigem Biodiesel. Mit Blick auf das zunehmende Engagement für Klimaschutz und eine nachhaltigere Energienutzung werden Nachfrage und Preisniveau wohl auch in Zukunft hoch bleiben.

 

Quelle: Neste


Biodiesel erster Generation verliert Marktchancen


Biodiesel wird unter anderem nach Art des verwendeten Rohstoffs reguliert und in verschiedene Kategorien unterteilt. Die Einordnung bestimmt, ob eine Anrechnung im Zuge der Berechnung des nationalen Anteils für erneuerbare Energien zugelassen ist. Man unterscheidet „konventionellen“ und „fortschrittlichen“ Biodiesel, auch genannt Biodiesel der ersten und zweiten bzw. dritten Generation.

  • Konventioneller Biodiesel: Biodiesel aus erster Generation wird auf Grundlage von Rohstoffen produziert, die auch als Nahrungs- und Futtermittel verwendet werden können. Hierzu zählen Pflanzenöle, die auch als Lebensmittel genutzt werden können.
  • Fortschrittlicher Biodiesel: Für fortschrittlichen Biodiesel aus zweiter Generation kommen tierische und pflanzliche Abfall- und Reststoffe zum Einsatz, die nicht direkt mit Nahrungs- und Futtermittelpflanzen konkurrieren. Biodiesel der dritten Generation wird durch mikrobielle Produktion erzeugt und stellt keine Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion dar. Als Rohstoffe finden Mikroalgen, Bakterien, Pilze und Hefen Verwendung. In diesem Bereich wird derzeit noch intensiv geforscht.

Mit der EU-iLUC Richtlinie wurde eine Obergrenze von 7 % für den anrechenbaren Beitrag von Biokraftstoffen der ersten Generation (CAP 7) sowie ein Ziel-Richtwert für fortschrittliche Biokraftstoffe eingeführt. Demnach darf Biodiesel, der aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen gewonnenen wird, nicht mehr als 7 % des Endverbrauchs im Verkehr ausmachen. Sofern diese Nahrungs- und Futtermittel ein hohes Risiko indirekter Landnutzänderungen mit sich bringen, sinkt der Wert stufenweise bis 2030 auf 0 %. In Zukunft soll also mehr fortschrittlicher Biodiesel in den Tank.

 

Der Paradigmenwechsel in der EU-Energiepolitik


Europa hat sich das Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 % gegenüber dem Niveau von 1990 zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, werden derzeit eine Reihe von Aktualisierungen der Energiegesetzgebung durchgeführt. Kernstück dieser Aktualisierungen ist die Novellierung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) im Rahmen des „Fit for 55“-Pakets.


Die Richtlinienüberarbeitung zielt auf die Förderung von Investitionen in bestehende oder neue Technologien für erneuerbare Energien ab. Um dies zu erreichen, ist die Anhebung des Gesamtziels für erneuerbare Energien von 32 % auf 40 % vorgesehen.


Emissionsbasierte Benchmark im Verkehrsbereich


Für den Verkehrssektor ist die Einführung eines THG-Reduktionsziels von 13 % auf Basis einer neuen emissionsbasierten Benchmark geplant. Das Reduktionsziel bis 2030 entspricht einem energiebasierten Ziel von 28 % unter Verwendung der Methodik in der aktuellen Richtlinie (RED II).


Keine Doppelzählung für Anrechnung


Ein zusätzliches Unterziel ist für fortschrittliche Biokraftstoffe in der Höhe von 2,2 % bis 2030 (einfach gezählt) vorgesehen. Biokraftstoffe, die aus den in Anhang IX A und B der Richtlinie aufgeführten Rohstoffen hergestellt werden, dürfen demzufolge nicht mehr doppelt für die Erfüllung nationaler Auflagen angerechnet werden können.
Die neue Regelung führt somit zu einer erheblichen Steigerung der Anforderungen im Verkehrssektor, verglichen mit dem derzeitigen Ziel von 14 % für den Verkehr (energiebasiert) und einem Teilziel von 3,5 % für fortschrittliche Biokraftstoffe (doppelt gezählt).

 


Neste Oil ist mit seinen hochmodernen Anlagen Marktführer auf dem HVO-Weltmark
© Neste Porovo, Finnland

Forcierung fortschrittlicher Biokraftstoffe

 

Die Verschiebung des Schwerpunktes vom reinen Anteil erneuerbarer Energien auf CO2-Neutralität bedeutet den schrittweisen Verzicht auf Biodiesel aus Anbaubiomasse zugunsten der Verwendung von fortschrittlichen Biodiesel aus treibhausgas-effizienten Rohstoffen. Folglich steigen die Marktchancen für Biodiesel der zweiten und dritten Generation. Für Biodiesel der ersten Generation wird es mit seinen strikten Beimischungsvorschriften in Zukunft schwieriger, sich im Wettbewerb zu behaupten.

 

Biodieselanlagen: Welche gibt es auf dem Markt?


Österreich war Vorreiter, als vor rund 30 Jahren die erste Biodieselanlage weltweit ihren Betrieb aufnahm. Zu jenem Zeitpunkt war Biodiesel als umweltfreundliche und erneuerbare Energiequelle noch ein Exote. Heute ist die EU weltweit führend bei der Herstellung und Verwendung von Biodiesel. Fast 200 Anlagen verschiedener Generationen sind EU-weit in Betrieb und produzieren jährlich rund 13 Millionen Tonnen Biodiesel.

 


Bioraffinerien der 1. Generation: FAME-Biodiesel aus reinem Pflanzenöl

 

Biodieselanlagen der 1. Generation können nur Ölsaaten verwerten. Die weltweit erste kommerzielle Biodieselanlage dieser Art wurde 1989 von der Firma Gaskoks in Österreich in Betrieb genommen. In den Folgejahren bauten Investoren in Europa zahlreiche weitere Biodieselanlagen und bereits im Jahr 1998 führten 21 europäische Staaten kommerzielle Biodieselprojekte durch.


Bioraffinerien der 2. Generation: FAME-Biodiesel aus Abfall- und Reststoffen

 

Im Zuge der „Tank oder Teller“ Diskussion entstanden zu Beginn der 2000er Jahre völlig neue Verfahren, um auch aus der Abfallfraktion der Ölmühlen und anderen Rest- und Abfallstoffen Biodiesel herstellen zu können. Biodiesel der 2. Generation muss allerdings in einem zusätzlichen Prozessschritt destillativ verbessert werden, um die Anforderungen des europäischen Biodiesel Standard EN 14214 zu erfüllen. Ein optimales Verfahren für den thermisch-sensiblen Biodiesel stellt die Kurzweg-Technologie dar.


Bioraffinerien der 3. Generation: HVO-Biodiesel aus nachwachsenden Rohstoffen


In den letzten Jahren hat hydriertes Pflanzenöl als Dieselsubstitut zunehmend an Bedeutung gewonnen und eine neue Generation von Biodieselanlagen hervorgebracht. Die weltweit erste Bioraffinerie zur Herstellung moderner HVO-Biokraftstoffe hat vor fünf Jahren in Lappeenranta, Finnland, die kommerzielle Produktion aufgenommen.

 

Die HVO-Anlage von UPM Biofuels produziert auf der Basis von Tallöl jährlich etwa 160 Millionen Liter fortschrittliche Biokraftstoffe und Biomaterialien. © UPM Biofuels

 

Wie steht es um die Verfügbarkeit nachhaltiger Rohstoffe?

Die begrenzte Verfügbarkeit von Biomasse wird oft als Rechtfertigung herangezogen, um die Bedeutung von treibhausgasarmen Biokraftstoffen herabzumindern. Eine neue Studie aus England mit dem Titel „Sustainable biomass availability in the EU to 2050“ zeichnet hier ein gänzlich anderes Bild. Die Studienersteller kommen zum Schluss, dass in Europa bis 2050 jährlich bis zu 175 Millionen Tonnen fortschrittliche und abfallbasierte Biokraftstoffe produziert werden können – ohne die biologische Vielfalt zu beeinträchtigen.


Produktionskapazität bis zu 175 Mio. Tonnen Biokraftstoffe


Selbst wenn Teile der Biomasserohstoffe für die Sektoren Energie, Industrie und Haushalt verwendet werden, dürfte der Anteil für den Verkehr im Jahr 2050 ausreichen, um bis zu 135 Mio. Tonnen Biokraftstoffe zu produzieren. Unter Einbeziehung der Biomasseimporte in die EU könnte die Produktionskapazität bis zu 175 Mio. Tonnen Biokraftstoffe erreichen.

 


Quelle: FuelsEurope, Studie „Sustainable biomass availability in the EU to 2050

Die Einschätzung des Biomasse-Potentials beruht auf sehr konservativen Annahmen. Es gibt zusätzliches Potential nachhaltiger Biomasse-Rohstoffe für erneuerbare Energien, die in den Berechnungen noch nicht berücksichtigt wurden. Unter anderem deshalb, weil die Rohstoffe noch nicht in den Anhängen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (REDII) genannt werden. Die Biomassepotentiale könnten in Zukunft also noch deutlich höher ausfallen als in der Studie geschätzt.


No-Regret-Option


Darüber hinaus bieten kohlenstoffarme Biokraftstoffe eine „no-regret“-Option aufgrund kurz- und langfristiger Vorteile:

  • Die Skalierung der Produktionskapazitäten wird sukzessive die Kosten der Biokraftstoffe senken.
  • Der Fahrzeugbestand mit Verbrennungsmotor kann treibhausgasarm betrieben werden.
  • Im Laufe der Zeit wird der Rückgang der Nachfrage nach flüssigen Kraftstoffen aus dem Straßenverkehr ein wachsendes Volumen für die Luft- und Seefahrt zu konkurrenzfähigen Preisen freisetzen.

Fortschrittliche und abfallbasierte Biokraftstoffe können somit gemeinsam mit anderen Biokraftstoffen, die ein geringes iLUC-Risiko (indirect land use change) aufweisen, eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung des EU-Verkehrs im Einklang mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 spielen.

 

Fazit: Die Zukunft gehört fortschrittlichem Biodiesel



Nachhaltig erzeugter Biodiesel ist die am leichtesten verfügbare Option für den Umstieg auf erneuerbare Energien im Transportbereich. Die von den Zielvorgaben der EU angetriebene Energiewende kann nicht allein durch Elektromobilität erreicht werden. Mit der Revision der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) setzt die EU die politischen Rahmenbedingungen für die verstärkte Nutzung von Abfall- und Reststoffen zur Erzeugung von Biodiesel. Die Kombination aus hohem Ölpreis, öffentlicher Förderung und steigenden CO2-Abgaben lässt nachhaltig erzeugten Biodiesel wieder wirtschaftlich werden.

 

Quellen: