Die Gewinnung von Wertprodukten aus Nebenströmen gewinnt eine immer größere ökologische und ökonomische Bedeutung. Zunehmend werden Anstrengungen unternommen, diese Nebenstoffströme zur verwerten und wirtschaftlich zu nutzen. Einige lukrative Nebenprodukte aus dem Sulfitverfahren stellen wir Ihnen in diesem Beitrag vor.
Das Sufitverfahren ist die historisch älteste Methode, um aus Holz Zellstoff zu gewinnen. Es wird oftmals auch „saurer Aufschluss“ genannt, da der Sulfitzellstoff bei einem pH-Wert zwischen 1,5 und 5 hergestellt wird. Als Base finden hierbei Kalzium, Ammonium, Magnesium oder Natrium Verwendung.
In einem chemischen Aufschluss- und Kochvorgang werden die Zellstofffasern von den Hemicellulosen und der „Kittsubstanz” des Holzes, dem Lignin, gelöst und freigelegt. Als Ergebnis des Kochprozesses entsteht ein ligninarmer Faserstoff, der anschließend abgetrennt, gewaschen und im Bedarfsfall gebleicht wird.
Die ligninhaltige Sulfitlauge mit den gelösten Holzsubstanzen und Chemikalien entsteht als Nebenstrom. Üblicherweise wird sie in der Eindampfanlage aufkonzentriert, um diese im Rückgewinnungskessel energetisch verwerten zu können.
Die bei der Verbrennung freiwerdende Energie wird zur Erzeugung von Dampf und Strom verwendet. Als grüne Energie kann sie direkt im Zellstoffwerk genutzt oder in das lokale Fernwärmenetz bzw. öffentliche Stromnetz eingespeist werden. Parallel zur Verbrennung erfolgt die Rückgewinnung der Aufschluss-Chemikalien für den Kochprozess.
Bei der Zellstoffherstellung wird nur ein Drittel bis maximal zwei Drittel des Ausgangsproduktes für das Hauptprodukt Zellstoff genutzt. Der Rest der eingesetzten Rohstoffe fällt in Form von Nebenprodukten an, die in der Sulfitlauge gelöst sind. Je nach Aufschlussverfahren erhält man eine Calcium-, Magnesium-, Natrium- oder Ammoniumablauge mit Hemicellulosen, Zuckern, Zuckersäuren, organische Säuren und anorganischen Salzen.
Im Prinzip handelt es sich bei diesem Nebenstrom um eine Rohstoffquelle, die eine große Anzahl wertvoller organischer Stoffe und mindestens 50 Prozent der ursprünglichen Holzsubstanz enthält. Mit der Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft bieten sich hier vielfältige Möglichkeiten, biogene Inhaltsstoffe der Sulfitlauge in Wertprodukte zu verwandeln, bevor die Lauge der thermischen Verwertung zugeführt wird.
Aktuell wird in der Zellstoffindustrie an der Entwicklung von Verfahren geforscht, die neue Aufschlusschemikalien und Rohstoffe nutzen. Daraus werden sich wieder andere Wertstoffe ergeben, die als End- oder Zwischenprodukte auf dem Markt angeboten werden können.
Insbesondere Sulfitfabriken versuchen, sich mit alternativen Rohstoffen, Chemikalien oder Produkten aus Abfallströmen zu diversifizieren. Hier werden oft neue bzw. alternative Prozessanlagen benötigt (andere Rohstoffeigenschaften, andere Betriebsparameter, andere Nebenprodukte, andere benötigte Materialien).
GIG Karasek verfügt über fundierte Erfahrung und Prozess Know-how im Sulfitbereich und kann mit seinen Pilotanlagen im hausinternen Technikum neue Ansätze für Prozesslösungen zur Gewinnung von Nebenprodukten erproben und skalieren. Intensive Versuchsreihen mit Probematerial von Kunden liefern die Datenbasis für die Beurteilung, ob ein rentables Wertprodukt aus dem Nebenstrom gewonnen werden kann.
Ebenso besteht die Möglichkeit, neue Rohstoffe und Chemikalien im Pilotmaßstab zu testen. Dabei werden die notwendigen Daten für das Scale-Up ermittelt.
Neben der Gewinnung einzelner Produkte aus Nebenströmen, bieten Bioraffinerien große Chancen für Klimaschutz, Wertschöpfung und Ressourceneffizienz im Sinne der Bioökonomie. Der Fokus der entwickelten Bioraffinerieverfahren liegt auf einer möglichst abfallfreien Verwertung biogener Roh- und Reststoffe, um daraus Zwischen- und Endprodukte zu gewinnen, die Produkte aus fossilen Rohstoffen ersetzen können.
Bioraffinerien können anhand von vier Hauptmerkmalen klassifiziert werden (IEA Bioenergy Classification System):
Unter den Modellen großindustrieller Bioraffinerien ist das Lignocellulose-Bioraffineriemodell in seinen verschiedenen Ausprägungen das vielversprechendste.
Obwohl Sulfit-Zellstoffprozesse ein Nischenbereich sind, handelt es sich um eine lukrative Sparte mit vielen zusätzlich möglichen Nebenprodukten. Da die Eindampfanlage die Vorstufe zur thermischen Verwertung der Sulfitlauge ist, werden viele Nebenströme aus der Eindampfanlage und ihrem Umfeld genutzt. Weitere Nebenprodukte können aus sekundären Bereichen gewonnen werden, etwa aus Wasch- und Bleichprozessen (z.B. Soda, Asche) oder nachgeschalteten Anlagen.
Nach der Abtrennung des Rohzellstoffs wird die Sulfitablauge eingedampft, wobei sich im Brüdenkondensat bei sehr sauren Prozessen und speziellen Holzarten (z.B. Buche, Birke, etc.) Essigsäure anreichert. Da die Säure in der Eindampfanlage erhebliche Probleme verursacht, wird sie in der Regel mittels Dünnlaugenneutralisation vor der Eindampfanlage beseitigt. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die anfallende Essigsäure in ein Wertprodukt zu verwandeln und dabei gleichzeitig die Probleme im Prozess zu beseitigen.
Ein Unternehmen, welches Essigsäure seit mehreren Jahrzehnten als Rohstoff verwertet, ist die Lenzing Gruppe. Die Essigsäure fällt bei der Zellstoffproduktion aus Buchenholz an und wird in mehreren Prozessschritten zu hochwertiger Essigsäure aufbereitet.
Anwendungen Essigsäure:
Essigsäure hat als eine der wichtigsten Basischemikalien ein sehr breites Anwendungsspektrum in verschiedenen nachgelagerten Industrien und zahlreichen industriellen chemischen Prozessen. Die Chemikalie ist ein hervorragendes Lösungsmittel und wird häufig als Reaktionspartner eingesetzt. Insbesondere in der Lebensmittel-, Textil- und Chemieindustrie sowie in der Pharma- und Kosmetikindustrie ist Essigsäure weit verbreitet.
Furfural ist ein weiteres Nebenprodukt aus dem Sulfitverfahren, das in der Eindampfanlage Probleme bereitet. Die Chemikalie führt zu einer Verkrustung der Heizflächen, die nur schwierig wieder zu entfernen sind. Dadurch sinkt die Eindampfleistung und zusätzlich muss der Betrieb der Anlage für Reinigungsarbeiten immer wieder unterbrochen werden.
Auch hier hat die Lenzing Gruppe ein Verfahren entwickelt, um Furfural als Wertstoff zu gewinnen und damit das Prozessproblem zu lösen. Die Anlage in Lenzing ist eine der wenigen weltweit, die Furfural erzeugt.
Anwendungen Furfural:
Furfural und das daraus gewinnbare Furan sind vor allem als organischer Rohstoff und chemischer Grundstoff für die Arzneimittel- und Lösemittelchemie interessant. Es wird auch zur Herstellung von Furfurylalkohol, Kunstharzen und als Ausgangsstoff für Chemiefaserstoffe verwendet. Als Reagenz dient es unter anderem zur Reinigung tierischer und pflanzlicher Öle.
Eine Ablauge aus Hartholz-Sulfitaufschluss hat einen Xylose-Gehalt von 10 bis 20 Prozent, bezogen auf den Trockensubstanzgehalt. In einem speziellen Verfahren wird der Holzzucker aus der aufkonzentrierten Lauge extrahiert und die Xylose-Lösung im Anschluss aufkonzentriert. GIG Karasek baut beispielsweise derzeit eine Turn-Key Skidanlage mit einem Dünnschichtverdampfer, welche in einem skandinavischen Werk die Xylose weiter aufkonzentriert.
Einer der weltweit führenden Produzenten von Xylose ist DuPont. Das Unternehmen betreibt in Österreich eine Xylose-Produktionsanlage, die in der Lenzing Zellstofffabrik Integriert ist. Die Xylose wird aus der Sulfitlauge extrahiert und anschließend zu Xylit weiterverarbeitet. Sobald die Xylose separiert ist, wird der verbleibende Nebenstrom mit reduziertem Xylosegehalt und reduziertem Energiewert in die Zellstoffabrik zur Eindampfanlage bzw. zur Verbrennung und Energieerzeugung rückgeführt.
Anwendungen Xylose:
Xylose ist ein wertvoller Rohstoff in der Süßigkeiten-, Aroma- und Geschmacksstoff-Industrie sowie insbesondere ein Ausgangsmaterial bei der Herstellung von Xylit. In der Kosmetikindustrie wird Xylose als Zusatzstoff zur Feuchthaltung kosmetischer Präparate genutzt.
Eine weitere Anwendung ist in der Tiermedizin in Form eines Xylose-Absorptionstests zur Diagnose von Malabsorption zu finden. Eine relativ neue Anwendung ist die Wasserstoff-Gewinnung aus Xylose in hohen Ausbeuten durch eine zellfreie Enzymkaskade. Xylose lässt sich chemisch auch zu Furfural umsetzen.
Ein weiteres Produkt, das neben Xylit aus Xylose gewonnen werden kann, ist Bioethanol. Die Umwandlung der Xylose zu Bioethanol erfolgt durch Fermentation der Sulfitlauge und anschließende Destillation. Der Reststrom aus der Verwertung kann wieder in die Eindampfanlage rückgeführt werden.
Die weltweit größte Bioethanol-Anlage auf Holzbasis wurde Anfang 2021 von der Halleiner Zellstofffabrik AustroCel in Betrieb genommen. In der eigenen Bioraffinerie versucht AustroCel sämtliche Bestandteile des Holzes zu verwerten. Aus Holzzucker entsteht Bioethanol der zweiten Generation, der aufgrund der nachhaltigen Basis als „fortschrittlicher Biokraftstoff“ Benzinkraftstoffen beigemengt werden kann. AustroCel ersetzt mit seiner Produktion rund 1 Prozent des jährlichen Benzinverbrauchs in Österreich.
Die AustroCel Bioraffinerie erzeugt aus Holzzucker fortschrittlichen Biokraftstoff © AustroCel Hallein / Michael Schartner
Anwendungen Bioethanol:
Neben der Verwendung als Biokraftstoff kann Bioethanol überall dort eingesetzt werden, wo auch synthetisches Ethanol aus der Erdölproduktion genutzt wird. In der chemisch-technischen Industrie dient Bioethanol als wichtiges Lösungsmittel und Zwischenprodukt, als Träger für Geruchsstoffe, als Zusatz für Reinigungs- oder Frostschutzmittel und als Brennstoff (Spiritus).
Ligninsulfonate oder auch Lignosulfonate sind Ligninverbindungen, die mit Hilfe eines speziellen Aufreinigungsprozesses aus der Sulfitlauge gewonnen werden. Auch in diesem Prozess können thermische Trennverfahren wie z.B. Eindampfung Anwendung finden. Das norwegische Unternehmen Borregaard LignoTech ist der weltweit führende Hersteller von Produkten auf Lignin- und Ligninsulfonatbasis. Das Unternehmen beliefert die chemische Industrie seit bereits über 60 Jahren mit Binde- und Dispergiermitteln.
Anwendungen Ligninsulfonate :
Ligninsulfonate sind äußerst vielseitig und werden in einer Vielzahl industrieller Anwendungen eingesetzt. Sie dienen als Bindemittel, Dispergiermittel, Emulgatoren und Sequestriermittel in einer Vielzahl von Produkten wie Beton, Wellpappe, Gips-, Span- und Feuerfestplatten, Tierfutter- und Düngemittelpellets, Färbemitteln und Reinigungsmitteln. Neben diesen Hauptanwendungen dienen Ligninsulfonate als Rohstoff für die Herstellung von Chemikalien.
Soda ist ein Wertprodukt, das im sekundären Bereich als Nebenprodukt des Bleichprozesses anfällt.
Anwendungen Soda:
Soda ist ein wichtiger Rohstoff für die chemische Industrie zur Herstellung von Glas, Bleichmitteln, Waschmitteln, Farbmitteln und Gerbereiprodukten.
Echte Vanille ist neben Safran das zweitteuerste Gewürz und bei weitem nicht in den erforderlichen Mengen verfügbar. Eine alternative Quelle ist die Herstellung von Vanillin aus Lignin, welches in der Ablauge auftritt. Dafür wird das Lignin in einem chemischen Verfahren aufgespalten, wobei Vanillin als Reaktionsprodukt entsteht. Der weltweit größte Hersteller von biobasierten Vanillin aus Holz ist Borregaard. Bereits seit 1962 stellt das Unternehmen pflanzliches Vanillin aus nachhaltig angebauter Rotfichte her.
Anwendungen Vanillin:
Der Anwendungsbereich von Vanillin umfasst Lebensmittel und Getränke, Aromen und Düfte, Körperpflege sowie Kosmetik und Pharmazeutika. In der Pharmazie dient Vanillin vor allem als Ausgangsprodukt für Medikamentenwirkstoffe, beispielsweise bei L-Dopa, ein Medikament gegen Parkinson.
Aus den biogenen Rückständen in Sulfitlaugen lassen sich eine Reihe von nützlichen Chemikalien als Nebenprodukte isolieren, die als Rohstoffe für die Weiterverarbeitung in der chemischen Industrie und zahlreichen anderen Branchen dienen können. GIG Karasek kann hier unterschiedliche Lösungen bis hin zur Erprobung und Entwicklung neuer Prozesse anbieten, um Nebenströme zu separieren und ein Wertprodukt daraus zu gewinnen.
Meist fallen diese Nebenströme im Rückgewinnungsprozess rund um die Eindampfanlage an, wo sie durch unterschiedliche Trennverfahren gewonnen werden können.In unseren Pilotanlagen ist es möglich, sowohl neue Prozesslösungen als auch Probematerialien von Nebenströmen umfassend zu testen und zu skalieren.
Titelfoto: © Fraunhofer IFAM